Die Feinde segnend in die Gegenwart Gottes stellen

Jesus Christus spricht: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werden.
(Matthäus 5, 44-45)

Das ist einer der Spitzensätze der Bergpredigt: die Feinde lieben. Wie soll das gehen? Feinde sind die, die uns das Leben schwer machen, die uns bedrohen, uns infrage stellen, die uns gefährden und im Extremfall sogar nach dem Leben trachten. In den 80er-Jahren

war das eine meiner Begründungen, den Kriegsdienst zu verweigern. Zu dieser Zeit, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, gab es einen ganz klaren Feind – und der saß im Osten. Als friedensbewegter junger Mensch setzte ich dem ein „Frieden schaffen ohne Waffen“ entgegen.

Manchmal frage ich mich, ob ich angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine heute anders entscheiden würde. Zumindest würde mir diese Aussage nicht mehr so leicht und so überzeugt von den Lippen gehen. Diejenigen lieben, die Minenfelder auslegen, Dörfer beschießen und Unschuldige töten?

Zunächst einmal stellt Jesus fest, dass es Feinde gibt. Ich komme nicht mit jedem gleich gut aus und ich muss auch nicht mit jedem „gut Freund“ sein. Aber ich soll das Meine dazu beitragen, dass die Eskalation in einem Konflikt nicht in der gegenseitigen Vernichtung endet. Manchmal tut auch Abstand gut zu denen, die mir Mühe machen. Das hilft mir nicht in einem Kriegsfall, das ist mir klar. Aber in meinem persönlichen Umfeld fängt Feindschaft doch schon viel früher an. Dort möchte ich mich für Versöhnung einsetzen. Weil mir der andere wichtig und er genauso bei Gott willkommen ist.

Und letztlich hat alles seinen Platz im Gebet. Und so möchte ich auch meinen Feind nicht vernichten, sondern segnend in die Gegenwart Gottes stellen. Und wer weiß, was das bewirkt?

Jürgen Baron, Pfarrer in Eisingen

Quelle: Dekanatsrundbrief